„Problemarten“ / Neophyten / Vergiftungen
Einige Pflanzenarten können als „Weideunkräuter“, insbesondere zu Beginn von ganzjährigen Naturschutz-Beweidungsprojekten, aber auch aufgrund ihrer Giftigkeit für Weidetiere, Probleme machen. Etwaige Bekämpfungsmaßnahmen solcher Arten sollten jedoch kritisch geprüft werden. Nehmen jedoch z.B. Ackerkratzdisteln (Cirsium arvense) derart zu, dass Nachbarflächen beeinflusst werden können, oder bilden giftige Weideunkräuter wie Jakobs-Kreuzkraut (Senecio jacobaea) Dominanzbestände aus, sind Gegenmaßnahmen im Rahmen der normalen Weidepflege in Erwägung zu ziehen (s.a. Bunzel-Drüke et al. 2008).
Im Folgenden werden ausgewählte Pflanzenarten vorgestellt, deren Vorkommen und Bestände bei Beweidungsprojekten besonderes Augenmerk verdienen:
Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera)
Drüsiges SpringkrautDer Neophyt Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera) hat Anfang des 20 Jhdts. zunächst den Südwesten von Deutschlands besiedelt und ist mittlerweile ein bestimmender Bestandteil der Auen von Flüssen und Bächen in weiten Teilen der Bundesrepublik. Es wird aber vermutet, dass eine weitere Ausbreitung auch im Zuge einer klimatischen Erwärmung stattfinden wird (vgl. www.floraweb.de.). Ob I. glandulifera eine „Problemar“t darstellt, ist umstritten. Deshalb sollte eine Bekämpfung kritisch geprüft werden. Die Bekämpfung der Art – mulchen und mähen vor der Samenreife wird empfohlen - gilt aber als wenig erfolgversprechend und sehr mittelintensiv (vgl. www.floraweb.de)
Im Projektgebiet „Zwester Ohm I“ war I. glandulifera schon vor der Beweidung sehr häufig, ist aber dann in der Krautschicht der Auwälder der Heck-Rind-Koppel zunächst noch häufiger geworden.
Die Art hat den Vorteil, dass sie als einjährige erst im Frühling keimt, durch ihren Geruch für die Weidetiere unattraktiv ist und während des Sommers aufgrund des reichen Angebotes an anderen, schmackhafteren Pflanzen, von den Heck-Rindern verschmäht wird. Vor den Hungerperioden im Winter dann hat die Art schon wieder eingezogen und ihre Samen ausgestreut. Außerdem wird sie durch den Kuhtritt und die damit verbundene Schaffung von Störungen und geeigneten Keimbetten bevorteilt. Glücklicherweise sind im Weideprojekt "Zwester Ohm I" die ersten Heck-Rinder im Herbst 2006 auf den Geschmack gekommen und haben begonnen - wegen der wegspritzenden Samen mit geschlossen Augen - vor allem die Fruchtstände des Springkrautes zu fressen. Ab Juli 2007 sind die Bestände von Impatiens glandulifera flächig so stark befressen worden, dass der Großteil kaum zur Blüte und nur ausnahmsweise zur Samenaustreu gelangte (vgl. Bilderreihe in Ergebnisse Zwester Ohm I). Schon ab 2008 konnten nahezu keine Springkraut-Pflanze mehr innerhalb der Heck-Rind-Koppel festgestellt werden, außerhalb der Koppel sind die Hochstaudenfluren nach wie vor durch die Art geprägt. An diesem Befund hat sich bis Ende 2010 nichts geändert, wenngleich einzelne Pflanzen innerhalb der Heckrindkoppel immer mal wieder in vom Fließgewässer absedimentierten Bereichen auftauchen.
I. glandulifera lässt sich also mittels ganzjähriger Heckrind-Beweidung bekämpfen (wenn man das will). Massenbestände stellen daher kein Problem für die Einrichtung eines Beweidungsprojektes dar.
Unseres Wissens war bisher nicht bekannt, dass Heck-Rinder Impatiens glandulifera fressen.
Acker-Kratzdistel (Cirsium arvense)
Weideunkraut Acker-KratzdistelDas Weideunkraut Acker-Kratzdistel (Cirsium arvense) hat in den ersten Jahren der Beweidung im Beweidungsprojekt „Zwester Ohm I“ an einigen Stellen zugenommen und geschlossene, größere Dominanzbestände gebildet. Ältere Pflanzen werden von den Heck-Rindern nur ausnahmsweise gefressen.
Die Art profitiert bei der Keimung von der lokal durch Viehtritt aufgerissenen Vegetationsdecke. Zwischenzeitlich ist die Art wieder leicht zurückgegangen. Möglicherweise spielt hierbei eine Rolle, dass die Bereiche durch den starken Winterverbiss „vergrasen“, d.h., die bei starker Beweidung (Winter) konkurrenzstärkeren Gräser durch ihren Filz die Etablierung von jungen Distelpflanzen zunehmend erschweren. Bis Ende 2010 ist aber insgesamt eine Zunahme von C. arvense innerhalb der Koppel zu beobachten. Sollte dies Entwicklung anhalten, muss längerfristig u.U. über eine episodische Mahd – am besten schon vor der Blüte - nachgedacht werden.
Rasen-Schmiele (Deschampsia cespitosa) und Flatter-Binse (Juncus effusus)
Flatter-Binse (Juncus effusus)© Foto: S. Rösner
In frischen und feuchten Bereichen können Rasen-Schmiele (Deschampsia cespitosa) und vor allem Flatter-Binse (Juncus effusus) sich stark ausbreiten. Beide Arten sind hartfaserig und bieten nur minderwertiges Futter, weshalb sie von Rindern aber auch anderen Weidetieren so lange verschmäht werden, bis überhaupt nichts anders mehr vorhanden ist und die Tiere wirklich starken Hunger haben.
Rinder, die nicht als „Robust-Rasse“ eingestuft werden, verschmähen Juncus effusus häufig völlig. Die Heck-Rinder im Beweidungsprojekt „Zwester Ohm I“ fressen beide Arten vor allem im Spät-Winter, wenn starke Futterknappheit herrscht (s. Fotos). Dies hat zur Folge, dass die Flatterbinse und die weniger widerstandsfähige Rasen-Schmiele in diesem Weide-Projekt nicht häufiger geworden sind, ohne dass man die Rinder hierfür zu stark hungern lassen musste. Heck-Rinder zeigen hierbei ihre besondere Robustheit und Genügsamkeit.
Grundsätzlich gilt, vor allem bei diesen Arten, dass abschließende Einschätzungen, ob Pflanzenarten durch das Beweidungsregime häufiger oder seltener geworden sind, erst nach einer längeren Zeitperiode verlässlich zu machen sind.
Jakobs-Kreuzkraut (Senecio jacobaea)
Seit 2007 geht die Diskussion um die Gefährlichkeit des Jakobs-Kreuzkrautes für Weidtiere durch die Presse.
Die Art ist für Weidetiere giftig: so müsste ein Pferd mit 600 kg Gewicht 24-48 kg frisches Pflanzematerial fressen, um die tödliche Aufnahmemenge zu erreichen. Bei einem Rind von 700 kg sind es 98 kg Frischgewicht. Diese Menge wäre bei 1% im Heu in drei Monaten erreicht. Schafe sind unempfindlicher, weshalb ein Schaf von 50 kg 62,5 – 200 kg Frischgewicht von S. jacobaea fressen müsste, um die tödliche Aufnahmemenge zu erreichen (alle Angaben aus Neumann et al. 2009).
Das Jakobs-Kreuzkraut, wie auch das sehr ähnliche Raukenblätrige Kreuzkraut (Senecio erucifolius) und der Neophyt Schmalblättriges Kreuzkraut (S. inaequidens) haben sich in einigen Regionen in den letzten Jahren stark ausgebreitet. Die Ausbreitung von S. jacobaea ging vor allem von stillgelegten Ackerflächen aus, aber auch von Straßen-Begleitgrün-Einsaaten, wo die Pflanze bis 2006 noch mit Saatgutsmischungen ausgebracht wurde (Bunzel-Drüke et al. 2008).
S. jacobaea ruft meist tödliche Leberzirrhosen hervor. Alle Weidtiere meiden diese Pflanzen normalerweise, jedoch kann es zu Vergiftungen durch trockene Pflanzen im Heu kommen, da Tiere die Pflanzen im Trockenzustand nicht mehr erkennen können. Vergiftungen bei ganzjährigen Beweidungsprojekten sind aber bisher nicht bekannt (Bunzel-Drüke et al. 2008).
Solange nur Einzelpflanzen auf einer Fläche vorhanden sind, ist die effektivste Maßnahme das ausstechen der Pflanze, das sie als normalerweise zweijährige Pflanzen dann nachhaltig an der Reproduktion gehindert wird. Bei größeren Beständen erweist sich Mahd als wesentlich geeigneter als z.B. mulchen. Das Mähgut ist abzufahren (Neumann et al. 2009).
Wasser-Schierling (Cicuta virosa) und Herbst-Zeitlose (Colchicum autumnalis)
Beide Arten gehören zu den giftigsten Pflanzen Mitteleuropas.
In feuchten Weiden kann es durch Freitreten der Schierlingsknolle selten vorgekommen, dass unerfahrene Tiere diese dann fressen und daran sterben (Brunzel-Drüke et al. 2008). Auch die Herbst-Zeitlose gilt immer noch als giftige Pflanze, die in Weiden bekämpft werden sollte.
Die Heck-Rinder im Beweidungsprojekt „Zwester Ohm I“ befressen die frisch austreibenden Blätter von Colchicum jeden Frühling regelmäßig, allerdings nicht in großen Mengen. Dies zeigt, dass Giftigkeit natürlich immer eine Frage der Dosis ist. Beide Pflanzenarten sind regional mittlerweile relativ selten und sollten schon deshalb nicht bekämpft werden. In großflächigen Beweidungssystemen sind bisher noch keine Vergiftungsfälle mit einer der beiden Arten bekannt geworden.
Kaukasischer Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzinaum)
Der Kaukasische Riesenbärenklau ist ein Neophyt und stammt ursprünglich aus dem Kaukasus. Aufgrund seiner phototoxischen Wirkung durch Furanocumarine, die besonders in Verbindung mit Sonneneinstrahlung zu Hautentzündungen führen, und der Tatsache, dass er vor allem in Auen riesige Dominanzbestände ausbildet, ist die Art der am häufigsten bekämpfte Neophyt. Häufig, aber ohne nachhaltigen Erfolg, da er riesige Samenmengen produziert und diese im Boden einige Jahre keimfähig bleiben. Als äußerst erfolgreiche Bekämpfung erwies sich dagegen die Beweidung großflächiger Riesenbärenklau-Bestände z.B. in der Ruhraue bei Hattingen-Winz. Hier sorgten 45 Heck-Rinder auf eine Fläche von 120 ha dafür, dass die Massenbestände des Riesen-Bärenklaus nach zwei Jahren innerhalb der Koppel verschwunden waren. Die Tiere fressen die Stängel bis kurz über den Boden ab, der hohle Stängel füllt sich mit Wasser und verfault (vgl. Neophyten im Ruhrgebiet)
Rinder mögen sehr gerne unseren einheimischen Bärenklau (Heracleum spondylium), warum nicht auch den Riesenbärenklau ?
Land-Reitgras (Calamagrostis epigejos)
Das einheimische Land-Reitgras bildet an geeigneten Standorten leicht große Dominanzbestände aus und ist in der Lage, konkurrenzschwächere Arten – häufig Zielarten des Naturschutzes - mehr und mehr zurückzudrängen. Es sollte daher, insbesondere wenn naturschutzfachlich hochwertige Lebensräume bedroht oder betroffen sind, eine weitere Ausbreitung der Art unterbunden werden. Das kann nach den bisherigen Erfahrungen recht effektiv über eine ganzjährige Rinder- und Pferdebeweidung erfolgen – Schafe hingegen vermögen die Art kaum zurückzudrängen.
Sumpfschachtelhalm (Equisetum palustre)
Die feuchtigkeitsgebundene Art wird auf Grund ihrer Giftigkeit für Wiederkäuer und Pferde als Problempflanze angesehen – auch wenn sie in aller Regel vom Vieh gemieden wird. Und eben weil die Pflanzen kaum verbissen werden, können sie sich in beweideten Feuchtgebieten nach Art der Weideunkräuter oft in unerwünschtem Maße ausbreiten. Gegenmaßnahmen auf Weideflächen wären durch eine Veränderung des Wassermanagements denkbar, da die Art langanhaltende Überstauungen einerseits und langanhaltende Trockenheit andererseits nur schlecht toleriert. Bevor solche Maßnahmen in Erwägung gezogen werden, muss aber sichergestellt sein, dass dadurch keine schutzbedürftigen Arten in Mitleidenschaft gezogen werden.
Staudenknöteriche (Fallopia div. spec.)
Die neophytischen Riesenknöteriche bilden mit ihrer enormen Wuchskraft insbesondere in Auengebieten und an Gewässerufern häufig sehr große Dominanzbestände aus, in denen kaum noch eine einheimische Art zum Zuge kommt. Mechanische Bekämpfungsmaßnahmen sind aufwändig und kostenintensiv und nur dann erfolgversprechend, wenn über Jahre hinweg konsequent gehandelt wird. Eine günstigere Alternative bildet da die Integration der vom Knöterich überwucherten Flächen in Weidegebiete. Es hat sich gezeigt, dass sowohl Rinder und Pferde, wie auch Schafe und Ziegen in der Lage sind, die Bestände effektiv zu reduzieren.
Späte Traubenkirsche (Prunus serotina)
Auch diese aus Nordamerika stammende Baumart mit ihrem zur Blütezeit so betörenden Duft ist in vielen Landstrichen zu einer Problemart geworden, die v.a. im Unterwuchs verschiedener Waldtypen derartige Dominanzen erreicht, dass einheimische Arten kaum noch in Erscheinung treten können. Und auch hier sind mechanische Bekämpfungsmaßnahmen aufwändig und kostenintensiv, während diverse Versuche mit Weidetieren vielversprechende Ergebnisse lieferten und somit als eine kostengünstige Methode zur Zurückdrängung der Art betrachtet werden können. Älteren Individuen sollte im Vorfeld einer Beweidung mechanisch mit der Säge zu Leibe gerückt werden, damit keine weiteren Samen mehr verbreitet werden. Dabei hat es sich bewährt, Stümpfe von 30 bis 50 cm Höhe stehen zu lassen, an denen die Weidetiere gerne ihren Bauch scheuern und hiermit den Wiederaustrieb - zusätzlich zum Verbiss - effektiv mechanisch schädigen.
Kartoffelrose (Rosa rugosa)
Auch wenn die Kartoffelrose in Hessen - anders als im küstennahen Norddeutschland - kaum Probleme bereitet, sei hier doch erwähnt, dass ihre Bestände durch extensive Ganzjahresbeweidung insbesondere durch Rinder sehr gut in den Griff zu bekommen sind – bis hin zum vollständigen Verschwinden der Art.
Kaum nennenswerte Effekte hat ganzjährige Beweidung auf die unerwünschten Bestände von amerikanischen Goldruten (Solidago div. spec.) sowie auch bei Adlerfarn (Pteridium aquilinum) und Robinie (Robina pseudoacacia). Die Arten werden kaum verbissen und können lediglich durch mechanische Einflüsse des Viehtritts geschädigt werden - was bei den geringen Besatzdichten naturnaher Weidesysteme allerdings nur wenig ins Gewicht fallen dürfte.